Boston, Massachusetts, USA · August 2017
Es gibt mehrere Wege, den Bostoner Hafen zu erkunden. Entweder man läuft ihn zu Fuß ab, oder man macht eine Hafenrundfahrt. Es gibt mehrere Touren entlang der über 60km langen Strecke, die sich von East Boston im Norden entlang der Innenstadt und bis nach Mattapan im Süden entlang zieht. Man kann kulturelle, historische oder "einfach nur so" Ziele anlaufen und anschauen. Im Folgenden haben wir einige Vorschläge für Sie.
Fort Point Channel Tour
Das ehemalige Industriegebiet beherbergt heute die größte Künstlergemeinschaft in ganz Neuengland. Aber fangen wir mal von vorne an. Die Tour startet 470 Atlantik Ave und als erstes kann man sich einen Überblick über den Hafen verschaffen, indem man in den 14. Stock aufs Dach fährt. Von hier hat man einen atemberaubenden Ausblick (Vorsicht, es ist windig). Von der rechten Ecke des Dachs hat man den sogenannten Möwen Ausblick.
Rechts ist Blue Hill und links ist der Hafen mit dem Flughafen im Hintergrund. Auch die zahlreichen Hafeninseln, die so typisch für die Region sind, liegen einem zu Füßen; Wenn man genug frische Luft getankt hat, kann man die eigentliche Tour starten. Um auf die andere Seite des Kanals zu kommen, biegt man rechts auf den Seeport Blv ab. Der Kanal war im 17. Jahrhundert ein Schiffskanal und mit ein bisschen Phantasie kann man sich ein buntes Treiben vorstellen. Schiffe legen an und ab, werden ent- und beladen.
Rechts kommt eine kleine Nische, an der man einen guten Blick auf den Kanal und die Brücken hat. Die erste Brücke über den Kanal wurde im Jahre 1805 erbaut. Sie war ein beliebter romantischer Treffpunkt, Heiratsanträge waren fast an der Tagesordnung und mit der Zeit brachte ihr dies den Spitznamen Bridge of Sighs ein. Da der Kanal befahren war, mussten sich die Brücken öffnen lassen. Es gab da verschiedene Möglichkeiten. Die Congress Street Brücke z.B. ist eine Klappbrücke, die mit Hilfe von Gegengewichten betätigt wurde.
Die Summer Street Brücke hingegen öffnete diagonal. So, weiter geht’s. Übrigens ist der Boden, auf dem die Häuser des Fort Point Viertels stehen, künstlich angelegt. Man kann sich kaum noch vorstellen, dass hier weite Bereiche mit Schlamm und Seegras bedeckt waren. Erst im Jahre 1836 wurden hier Hafenanlagen gebaut. Die zahlreichen roten Backsteingebäude dienten der Lagerung von Gütern und anderen für den Schiffsbau notwendigen Materialien.
Am Ende der Brücke kann man Treppen runtergehen und man erreicht die bellende Krabbe. Ein gemütliches Restaurant, in dem man die Wartezeit aufs Essen noch mit Brettspielen überbrücken kann. Das nächste Ziel ist das Intercontinental Hotel allerdings von der anderen Seite des Kanals.
Einfach am Wasser langlaufen und man kann es gar nicht verfehlen. Von hier kann man die beiden gebogenen Türme sehen (die Idee war, eine Verbindung zu den Schiffen, die früher hier anlagen, herzustellen). Alles aus Glas. Zu jeder Tages- und Jahreszeit reflektiert das Glas die Sonne und lässt das Gebaeude blau erscheinen. Ein Symbol für Bewegung, Wasser, den Kanal selber. Ein befreundeter Zimmermann hat das Innere dieses Gebäudes mit gebaut und er sieht es als Ehre an, seinen Teil zu diesem fast lebenden Gebäude beigetragen zu haben. Muss ein tolles Gefühl sein, wenn man das Ergebnis seiner Arbeit in dem Umfang sehen kann.
Geht man weiter, kommt auf der linken Seite das Children's Museum. Es wurde vor Kurzem komplett renoviert und neueröffnet und ist eine wahre Freude für Kids und auch beim zehnten Mal noch nicht langweilig.
Hier kann man spielen, erfahren, begreifen, sich dreckig machen, zuhören, sehen, anfassen und ausprobieren. Jeden Freitagabend kostet der Eintritt nur $1 und die College Studenten stehen Schlange. Da kommt das Kind im Manne (und in der Frau) durch. Vor dem Museum steht eine riesige Milchflasche, die hier seit Jahrzehnten ihren Platz hat.
Congress Street führt zu dem nächsten Ziel, der Filmkulisse für "The Departed". Dazu überquert man Sleeper und Farnsworth Street und biegt dann in die Farnsworth Street links ab. Das Gebäude an der Ecke zur Einfahrt rechts diente als Kulisse der Schlüsselszenen auf dem Dach zum Ende des Films. Die Gebäude sehen übrigens deshalb so harmonisch aus, weil dieses ganze Viertel von nur zwei Architekten entworfen worden ist. Da hat das Sprichwort, dass viele Köche den Brei verderben doch seine Berechtigung.
Nach dem kleinen VIP Abstecher geht es wieder zurück auf die andere Seite der Congress Street. Geht man weiter stadtauswärts erreicht man auf der rechten Seite A Street; Nun muss man suchen, um Lucky's, den nächsten Stopp, zu finden. Einfach die Säule finden und die Treppen runtergehen. Eine dunkle Bar mit Klaviermusik im alten Stil.
Zurück zur A Street, die Treppen zur Brücke rauf und entlang Summer Street Richtung Kanal. Nach dem zweiten Weltkrieg war dieses Viertel leergefegt, aber dann, im Jahre 1976, zog hier ein Künstler, der sein Studio in einem Feuer verlor, ein, und mit ihm kamen Künstler über Künstler auf der Suche nach bezahlbaren Studios. Es war hier nicht nur bezahlbar, sondern äußerst cool, in den alten Fabrik- und Lagergebäuden zu wohnen. Ich muss zugeben, dass ich seit dem Film "Flashdance" auch immer in so einem alten Fabrikgebäude wohnen wollte. Leider habe ich nie was Richtiges gefunden, vielleicht sollte ich doch noch nicht aufgeben?
Das Künstlerhaus befindet sich in 300 Summer Street. Es ist für jedermann geöffnet. Das Gebäude ist eine Cooperation. Es gehört den Künstlern und wird von ihnen geteilt. Bis in die 90er Jahren haben die meisten Leute gedacht, die Gebäude stehen immer noch leer, aber das Künstlerleben spielte sich schon in vollen Zügen hinter den Fassaden ab.
Rein geht es nun in den Aufzug und nach unten in das Channel Cafe. Es ist europäisch inspiriert, wie man eindeutig sehen kann. Vielleicht hat man Lust, sich ein bisschen auszuruhen und etwas zu trinken. Hat man Energie getankt, geht es weiter stadteinwärts auf der Summer Street. An der Ecke zur Melcher Street kann man nochmal einen Blick auf die gebogenen Gebäude werfen.
Weiter runter in der Melcher Street befindet sich der "erhobene Bürgersteig" und wenn man in die Necco Street einbiegt, ist man im Herzen des ehemaligen Industriegebiets und fühlt sich in alte Zeiten zurückversetzt. Hier trafen sich übrigens die Künstler freitags zum Kick ball Spiel. Jetzt wird es Zeit, wieder am Wasser entlang zu schlendern. Richtung Süden zu der ältesten Firma im Viertel Gilette. Seit über 100 Jahren hat die Rasierklingen-Firma ihren Sitz hier in Boston.
So, fast geschafft. Als letzter Punkt der Strecke gilt der Channel Night Club. In den 80ern tobte hier das Nachtleben. Punk und Metal waren die Hauptmusikrichtungen des Channels. Leider musste das Gebäude in den späten 90ern dem BigDig Platz machen. Ich bin mir allerdings nicht wirklich sicher, wo denn der Club genau war. Irgendwo auf einem der Parkplätze muss es gewesen sein. Wenn man Zeit hat, kann man sich nochmal am Kanal niederlassen und die Gegensätze der alten Industriezeit hinter sich und der modernen Zeit vor sich einwirken lassen. Im wahren Sinne der Richtungen mit dem Kanal dazwischen.
Anmerkung: wie schon erwähnt, findet man immer wieder Neues in Boston, selbst wenn man schon Jahre hier lebt. So ging es mir mit den Hafen Touren. Ja, man weiß, dass es sie gibt, aber so wirklich abgelaufen hat man sie dann auch noch nicht. Nachdem ich also die Eckdaten oben zusammengesammelt hatte, bin ich losgezogen, um Bilder zu machen und die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen. Ich habe mir die MP3 Tour runtergeladen und los ging es. Ich kann sie nur jedem englischsprechenden Touristen empfehlen. Sie sind kostenlos und ein wahres Erlebnis. Man hat das Gefühl, dass der Sprecher neben einem hergeht. Die Tour ist zeitlich abgestimmt, das heißt, man muss nicht ständig auf Pause drücken und sie ist mit netten Effekten, Musik und Beiträgen von Ortsansässigen sowie vielen Informationen bestückt. Im Gegensatz zu der Freedom Trail Audio Tour, die mir nicht viel geholfen hat, macht diese Tour einfach nur Spaß.
Downtown Tour
Ein zweiter fantastischer Spaziergang führt entlang der Innenstadt und ist ungefähr 1.5km (1mile) lang. Geht man zügig muss man ungefähr eine Stunde einrechnen. Los geht es im Christopher Columbus Park, ein Teil vom North End. Es ist ein idealer Platz, um zu relaxen, ein Picknick zu machen oder einfach nur ein bisschen Seeluft zu schnuppern.
In Richtung Marriott Hotel steht auf der linken Seite ein Kiosk. Hier kann man Tickets für die Hafen Inseln kaufen. Jetzt erstmal rauf auf den Steg, um sich einen Überblick zu verschaffen. Wo heute Yachten, und Ausflugsschiffe anliegen, lagen früher ausschließlich Fischerboote. Wieder ist Vorstellungskraft gefragt, um sich das bunte Treiben und den Fischgeruch (-gestank?) vorstellen zu können.
Man folgt nun einfach dem Steg Richtung Wasser, biegt rechts ab und erreicht den ersten Anlaufpunkt, die Boston Waterboat Marina. Der Yachthafen wird seit über 30 Jahren betrieben. In den letzten Jahren ist der größte Teil des Hafengebietes für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und an den Wochenenden sieht man viele Touristen, Familien und Bostoner, die ihre Freizeit an der frischen Seeluft genießen; Am Ende des Kais sind mehrere Teleskope. Kann man von hier etwa Europa sehen? Ok, im Ernst, aber man kann ja mal einen Blick riskieren.
Vor einem liegt der Innere Hafen mit den Inseln. Hat man genug geguckt geht man weiter zu den Whales of the Deep. Nur 25 Meilen von Boston entfernt im Atlantik, hat man die Gelegenheit, sich die Meeresriesen anzuschauen. Beeindruckend und ein garantiertes Erlebnis, wenn man seefest ist (das kann ich von mir leider nicht behaupten, aber ich habe durchgehalten und wurde durch den Anblick abtauchender Wale belohnt).
Auf dem Weg zurück Richtung Stadt kommt man an der rechten Seite an einem Kompass vorbei. Es ist ein Symbol für all die Einwanderer, die hier die ersten Schritte in eine fremde Welt machten. Von hier kann man auch das Old State House zwischen all den Hochhäusern sehen. Läuft man weiter, kommt man an dem ältesten Gebäude des Hafens vorbei.
Da hier das New England Aquarium ist und viele Hafenrundfahrten hier abfahren, ist es meist ziemlich voll. Aber einfach durchkämpfen und auf der linken Seite direkt vor dem Aquarium ist ein Becken mit Robben. Man kann stundenlang gucken und (nicht nur) für Kinder ist es sehr faszinierend, den putzigen Kerlchen beim Schwimmen zuzusehen. Sie werden von persönlichen Trainern abgerichtet und beschäftigt und können ein paar Tricks. Zum Aquarium selber kommt später noch ein ausführlicherer Abschnitt.
Neben dem Aquarium ist das Imax Kino. Hier werden 3D Filme gezeigt. Die meisten zeigen Naturschauspiele. Von Unterwasserfilmen, Wüstenfilmen, über In-Space-Filmen ist alles dabei. Zwischen dem Imax und dem Aquarium ist der südliche Kai. Hier gab es mal einen eher ungewöhnlichen Besucher. Ein Buckelwal hatte sich bis hierher verirrt. Meist kann man aber nur Quallen sehen, wenn man etwas tiefer ins Wasser guckt. Aber Vorsicht, man weiß nie!
Am nächsten Kai, dem India Kai, legten schon vor über 200 Jahren Handelsschiffe nach Indien ab, um exotische Gewürze und andere Handelswaren nach Boston zurückzubringen. Am Ende des Kais ist der nächste Stopp. Im Jahre 1898 wurde die Portland in einem Sturm schiffsbrüchig. Über 200 Passagiere kamen ums Leben und die Portland bekam ihren Spitznamen New Englands Titanic. Die Metallskulpturen weiter entlang der Tour lassen viel Spielraum für "was soll denn das wohl sein?" zu. Die "von Schlegell Skulpturen" heißen nicht umsonst "nicht benannte Landschaften". Sie sind Teil des neuen Museums für zeitgenössische Kunst
Geht man weiter entlang des Hafens, stößt man auf einen Steinbogen mit Säulen und noch ein Stück weiter auf der rechten Seite ist ein weiterer riesiger Steinbogen, Teil des Boston Harbor Hotels. Kaum zu glauben, dass das Viertel bis vor ein paar Jahren völlig runter gewirtschaftet war. Unter dem Bogen ist ein kleiner Steinkreis; Einfach mal hochgucken und sich überraschen lassen. Falls man sich für alte Landkarten interessiert, kann man einen Abstecher in die Empfangshalle des Hotels machen. Dort befindet sich eine öffentliche Ausstellung handgemalter Karten aus alten Tagen. Zurück am Wasser kann man im Sommer auf dem schwimmenden Dock, das hier zu Wasser gelassen wird, Konzerte und freitags auch Filme genießen. Alles unter freiem Himmel, bei Mondschein und kostenlos.
Ein Stückchen weiter am Hafen entlang kreuzen sich dann die Wege mit der Fort Point Channel Tour. Die Northern Avenue Bridge ist der Endpunkt des Rundgangs. Diese Brücke hat einen ganz besonderen Öffnungsmechanismus. Sie dreht sich um einen Punkt in der Mitte und schwingt einfach auf, um die Schiffe durchzulassen. Wenn man Lust hat, kann man von hier einfach die Fort Point Tour weiterlaufen, oder man geht ins Kindermuseum, oder isst und trinkt was in der "bellenden Krabbe". Die Möglichkeiten sind fast endlos.
Whale Watching Tour
Ist man seetüchtig, sollte man sich eine Whale Watching Tour auf gar keinen Fall entgehen lassen. Es ist ein großes Erlebnis, die Riesen der Meere einmal live zu sehen. Es werden Touren von der Boston Harbor Cruises oder vom Aquarium Angeboten. Die Fahrt dauert ungefähr 3-4 Stunden und führt zum Stellwagon Deich, dem Futterplatz der Wale. Es gibt hier Buckelwale, Finnwale, Zwergwale, Grindwale und Glattwale. Die Wale sieht man eigentlich immer, aber mit etwas Glück kann man auch einen Blick auf Delphine erhaschen.
Vor allem zwischen August und Oktober stehen die Chancen auf Delphine sehr gut. Jede Fahrt wird auch gleichzeitig zur Dokumentation des Walbestandes genutzt. Somit haben die Wale Namen und können anhand ihrer Flossenfärbung auseinander gehalten werden. Viele Mitglieder der Buckelwalfamilie sind schon seit den 80er Jahren jedes Jahr hier zu beobachten aber auch die Kinder und Enkelkinder bleiben als Gruppe zusammen.
Noch zu bedenken wäre, dass es auch im Sommer auf See sehr kalt werden kann. Also auf jeden Fall sollte man einen Pulli oder eine Strickjacke mitnehmen und auch der Sonnenschutz, eine Sonnenbrille und natürlich die Kamera sollte unter keinen Umständen vergessen werden. Überschätzt man seine Seetüchtigkeit (so wie ich), kann man an Board ein Mittel gegen Reisekrankheit kaufen. Aber wie schon erwähnt, hat sich der Ausflug trotz Übelkeit gelohnt und ich war wirklich sehr fasziniert von der Schönheit dieser Meeresbewohner.
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